Zerfallende Staatsstrukturen, Terrorismus und Fundamentalismus, hybride Bedrohungen, asymmetrische Kriegsführung, Cyberangriffe – die sicherheitspolitischen Herausforderungen, mit denen wir uns seit Ende des Kalten Krieges konfrontiert sehen, sind vielgestaltig. Entsprechend gibt es auch keine einfachen Antworten. Unverändert gilt jedoch: Rein militärische Lösungen wird es in der Ukraine, Syrien, Irak, Libyen oder Afghanistan nicht geben. Am Ende braucht es immer politische Lösungen.
Eine globale Ordnung unter Druck
Neue Sicherheitsbedrohungen, multiple und parallele Krisen, eine globale Ordnung unter Druck – diesen untereinander verknüpften und sich wechselseitig verstärkenden Herausforderungen müssen wir mit einer angepassten Sicherheitspolitik entgegentreten: Vernetzte Bedrohungen verlangen vernetzte Antworten. Nicht das Setzen auf ein Instrument oder eine Institution, sondern ein comprehensive approach ist gefragt.
Wir müssen deshalb die Instrumente unserer Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik zunächst auf nationaler Ebene noch besser miteinander verknüpfen. In Afghanistan haben wir gelernt: Es gibt keine Sicherheit ohne Entwicklung, und es gibt keine Entwicklung ohne Sicherheit. Der vernetzte Ansatz darf dabei nicht nur der Logik des militärischen Einsatzes folgen. Eine umfassende Koordinierung innerhalb und zwischen Ministerien und Bundeskanzleramt muss daher alltägliche Normalität sein, um auch präventiv aus einem Guss agieren zu können.
Die neue Qualität sicherheitspolitischer Herausforderungen erfordert eine bessere Vernetzung von Instrumenten und Institutionen. Die Nato hat mit dem Warschau-Gipfel auf globale Ordnungsfragen reagiert, und Deutschland beteiligt sich substanziell an den Maßnahmen.
Dr. Hans-Dieter Lucas
Mehr vernetztes Vorgehen ist auch auf internationaler Ebene zwischen multilateralen Organisationen verlangt – unter Beachtung ihrer jeweiligen Stärken und komparativen Vorteile. Von herausragender Bedeutung ist dabei die auf dem Warschauer Nato-Gipfel vereinbarte engere Zusammenarbeit von Nato und EU. Nur wenn Nato und EU mit ihren spezifischen Fähigkeiten zusammenwirken, können sie dem gesamten Spektrum an Herausforderungen erfolgreich begegnen. Das verlangt von beiden einen neuen mindset und den Verzicht auf institutionelle Egoismen.
Für die Allianz heißt dies, nicht immer first responder in der Konfliktbewältigung zu sein. Während die Nato im Bereich der kollektiven Verteidigung die zentrale Rolle spielt, fällt ihr beim Krisenmanagement im Süden eher eine unterstützende Rolle zu: für die EU im Mittelmeer, etwa mit Blick auf die EU-Operation Sophia; für die Anti- is-Koalition im Irak und in Syrien durch den Ein- satz von Awacs.
Eine umfassende Koordinierung innerhalb und zwischen Ministerien und Bundeskanzleramt muss alltägliche Normalität sein, um auch präventiv aus einem Guss agieren zu können.
Dr. Hans-Dieter Lucas
Darüber hinaus kann die Allianz einen wichtigen Beitrag zu mehr Stabilität leisten, wenn sie Partnern in der Region dabei hilft, ihre eigenen Verteidigungsfähigkeiten zu stärken: durch Aufbau von Kapazitäten im Verteidigungs- und Sicherheitssektor, durch Training, Beratung und Ausbildung.
Deutschland unterstützt durch sein Engagement die Vernetzung der Allianz mit anderen Akteuren: zum Beispiel durch Übernahme der Führungsrolle bei der Bekämpfung illegaler Schleusernetzwerke in der Ägäis gemeinsam mit der griechischen und türkischen Küstenwache sowie mit der EU-Grenzagentur Frontex, durch deutsche Kontingente bei der Awacs-Luftraumüberwachung und durch die finanzielle und personelle Unterstützung der Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau etwa in Georgien und im Irak.
Allianz als lernendes System
Das Konfliktbild des 21. Jahrhunderts ist komplex. Von der Allianz verlangt dies einen dauernden Anpassungsprozess, ein Selbstverständnis als »lernendes System«, um mehr als bislang in enger Zusammenarbeit mit anderen sicherheitspolitischen Akteuren zukunftsfähige Antworten auf die Bedrohungen von heute und morgen zu geben. Es entspricht der deutschen Bereitschaft zur Übernahme von mehr sicherheitspolitischer Verantwortung, diesen Prozess durch eigene substanzielle Beiträge weiter aktiv zu fördern.
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