Wir leben in der Einen Welt, heute mehr denn je. Ineinander verschränkt, miteinander verwoben, im Guten wie im Schlechten: Die Globalisierung macht uns alle zu Passagieren im selben Boot. Die Klimakrise und die Folgen von entgrenzten Kriegen, eine transnational vernetzte autoritäre Bewegung, global agierender Terrorismus – sie alle zeigen, dass uns die Herausforderungen unserer Zeit längst auch im Herzen Europas erreichen. Doch sind wir ihnen nicht ausgeliefert, sondern können sie beeinflussen. Viele von ihnen verursachen wir sogar.
Das aber setzt einen Kohärenzansatz voraus, der die verschiedenen Politikfelder zusammendenkt und globale Verantwortung als eine Aufgabe europäischer und multilateraler Integration, nicht als Anforderung an andere versteht. Vieles wurde dahingehend versucht, doch den bisherigen Konzepten fehlte es meist an einer klaren Zielhierarchie für das Gesamtregierungshandeln. Immer wieder wurden die kurzfristigen den langfristigen Erwägungen untergeordnet.
Ansätze, die sich lediglich auf eine bessere Zusammenarbeit von Auswärtigem Amt, BMZ oder Verteidigungsministerium beschränken, sind zu kurz gedacht und unterkomplex.
Claudia Roth
Beim Konzept der vernetzten Sicherheit etwa wurden Sicherheitsinteressen der Entwicklung vorgezogen. Rüstungsexporte gingen in Krisengebiete, weil wirtschaftliche Bilanzen mehr zählten als die Befriedung ganzer Regionen. Und während die europäische Agrar- und Handelspolitik auch weiterhin die Märkte in Entwicklungsländern zerstört, schadet unsere Energie- und Verkehrspolitik dem Klima.
Die Instrumente liegen auf dem Tisch
Das Regieren in Deutschland ist im Zeitalter der Globalisierung immer noch in den Strukturen des letzten Jahrhunderts organisiert. Jedes Ministerium arbeitet in seinem Silo. Zwar zeigt ein Blick auf die Organigramme der Bundesministerien, dass in jedem mindestens eine, manchmal sogar zwei Abteilungen auch international arbeiten. Eine umfassende Netzwerkaußenpolitik aber, die die jeweilige Arbeit koordinieren und auf gemeinsame Ziele ausrichten würde, bleibt aus. Ansätze, die sich lediglich auf eine bessere Zusammenarbeit von Auswärtigem Amt, BMZ oder Verteidigungsministerium beschränken, sind da zu kurz gedacht und unterkomplex.
Während die europäische Agrar- und Handelspolitik auch weiterhin die Märkte in Entwicklungsländern zerstört, schadet unsere Energie- und Verkehrspolitik dem Klima.
Claudia Roth
Dabei sind wir global schon weiter. So hat es die Weltgemeinschaft im Jahr 2015 trotz zahlreicher Blockaden in der Global Governance geschafft, sich mit den 17 »nachhaltigen Entwicklungszielen« auf einen gemeinsamen Entwicklungspfad zu verständigen. Die Erreichung dieser Ziele ist jedoch weder die Aufgabe einzelner Staatengruppen noch von wenigen Fachpolitikern. Sie beschreiben Entwicklung als eine globale Aufgabe, die vor allem bei uns, in den westlichen Industriestaaten, angegangen werden muss.
Für eine verstärkte Personalrotation
Die entsprechenden Instrumente für mehr Kohärenz liegen auf dem Tisch. Dazu gehören eine wirksame Koordinierung der Netzwerkaußenpolitik durch das Auswärtige Amt ebenso wie die wirkungsorientierte Abstimmung der ODA-Leistungen durch das BMZ. In Bereichen wie der Flüchtlingspolitik bietet sich das Pooling von Mitteln in Ressortkreisen an, während Regierungshandeln insgesamt Ex-ante-Folgeabschätzungen und Kohärenz-Evaluierungen benötigt. Vieles spricht zudem für eine deutlich verstärkte Personalrotation: zwischen den Häusern, aber auch mit der europäischen und der multilateralen Ebene.
Darüber hinaus muss sich Deutschland international viel aktiver einbringen – sei es mit einem glaubwürdigen Aufholplan für Entwicklungsfinanzierung, durch mehr Personal bei den VN oder über eine viel stärkere Präsenz der Ministerebe-ne in den multilateralen Foren, um dort Agenda-Setting zu betreiben. An erster Stelle aber steht die Übersetzung der eigenen Verantwortung in eine regierungsweite Zielhierarchie. Die nachhaltigen Entwicklungsziele bieten dafür den notwendigen Rahmen.
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